70/I/2016 Finanzierung des ÖPNV im Land Brandenburg

Du hast keine Berechtigungen dieses Formular zu betrachten oder abzusenden

Status:
Annahme
  1. Die SPD Brandenburg begrüßt die Einigung zwischen Bund und Ländern zur Neuverteilung der Regionalisierungsmittel (RegMittel) auf die Bundesländer. Damit ist die maßgebliche Säule der ÖPNV-Finanzierung im Land Brandenburg gesichert. Der langfristige Erhalt und die notwendige Ausweitung des Angebotsumfangs gegenüber dem Status Quo sind jedoch trotzdem nur durch eine Neujustierung der Finanzierungsbausteine im Land Brandenburg möglich.
  2. Die SPD Brandenburg fordert die Landtagsfraktion daher auf, in die Haushaltspläne ab 2017 stufenweise (in 5 Jahresstufen) Haushaltsmittel über die vom Bund zugewiesenen Mittel hinaus für die ÖPNV-Finanzierung aufzunehmen. Die Höhe soll den bislang eingesetzten Mitteln für die Schüler- und Ausbildungsbeförderung (37 Mio. €) entsprechen. Diese Mittel werden jährlich dynamisiert. Damit wird sichergestellt, dass die RegMittel wieder verstärkt für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dort erforderliche Mehrleistungen aufgrund der stark gewachsenen Pendlerströme eingesetzt werden können und zusätzliche Mittel für den übrigen ÖPNV als Zubringer zum SPNV und in seiner Erschließungsfunktion für die Fläche zur Verfügung stehen.
  3. Die SPD Brandenburg wird sich für die Sicherung der v.a. für Investitionen im übrigen ÖPNV genutzten Entflechtungsmittel auch nach 2019 im Rahmen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einsetzen. Sie fordert die SPD-Landtagsfraktion auf, wie bislang auch eine landesgesetzliche Zweckbindung für den ÖPNV-Anteil der Entflechtungsmittel oder einer Nachfolgeregelung (z.B. über den Umsatzsteuerausgleich) in Höhe der bisherigen Mittel (27 Mio. €) zu gewährleisten.
  4. Die SPD Brandenburg fordert die Landesregierung auf, sich gemeinsam mit Berlin aktiv um eine Aufnahme von größeren Nahverkehrsprojekten in unserer Region aus dem nunmehr bis 2030 fortgeschriebenen GVFG-Bundesprogramm und dessen Aufstockung zur Finanzierung neuer Projekte zu bemühen. Gerade für die noch ausstehenden Lückenschlüsse im Schienennahverkehr zwischen beiden Ländern ist dies notwendig. Die Attraktivität der bestehenden Nahverkehrsverbindungen ist zu steigern.
  5. Die SPD Brandenburg wird die Investitionsförderung in die ÖPNV-Infrastruktur unterstützen. Schwerpunkte sind dabei die Umsetzung der Barrierefreiheit sowie die verstärkte  Vorfinanzierung von Infrastrukturprojekten auf der Schiene zur Projektbeschleunigung und Engpassbeseitigung.
Begründung:

Der öffentliche Nahverkehr ist wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Seine Qualität entscheidet auch über Zuzug oder Wegzug von Menschen und Unternehmen. Mobilität ohne eigenes Auto ermöglicht soziale Teilhabe für alle und ist umweltschonend. Die Finanzierung des ÖPNV muss daher langfristig auf sicheren Beinen stehen.

Im Land Brandenburg müssen hierfür angemessene und praktikable Lösungen sowohl für das verdichtete und wachsende Umland rund um Berlin  als auch für die dünnbesiedelten Regionen mit ihren kleinen und großen Zentren gefunden werden. Die begrenzten Finanzmittel von Bund, Land und Kommunen müssen effektiv eingesetzt werden.

Ausgangssituation 2016

Der Landeshaushalt 2016 umfasst zur Finanzierung des ÖPNV ein Volumen von 471 Mio. €. Davon sind 97% Zuweisungen des Bundes aus Regionalisierungsmitteln (429 Mio. €) und aus Entflechtungsmitteln (27 Mio. €). Der verbleibende Rest sind Rückflüsse aus Verkehrsverträgen.

Die Mittel werden in Höhe von 347 Mio. € (ca. 74%) für die Abdeckung der Defizite bei der Bestellung von SPNV-Betriebsleistungen bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Rahmen abgeschlossener Verkehrsverträge verwendet. Im Regional- und S-Bahn-Verkehr werden aktuell  35 Mio. Zugkilometer geleistet.

Insgesamt 90 Mio. €  (ca. 19%) fließen den Landkreisen und kreisfreien Städten für den Betrieb und Investitionen im übrigen ÖPNV (Bus- und Straßenbahnverkehr) zu, davon 37 Mio. € als Ausgleichszahlung für den Schüler- und Auszubildendenverkehr. Die Verteilung ist in der ÖPNV-Finanzierungsverordnung geregelt. Zusammen mit eigenen Mitteln der Aufgabenträger erfolgen Ausgleichszahlungen in Höhe von ca. 146 Mio. € für den Betrieb von 87,2 Mio. Nutzwagenkilometern.

Das Land und die ÖPNV-Aufgabenträger bezuschussen also Verkehrsleistungen in Höhe von insgesamt 493 Mio. € pro Jahr. Im Land Brandenburg werden 224 Mio. € Erlöse aus Fahrgeldeinnahmen im ÖPNV (alle Verkehrsträger) generiert.

Weitere Posten im Landeshaushalt sind die direkte Förderung von Investitionen im SPNV und ÖPNV (13,3 Mio. €), die Gesellschafteranteile und Regiekosten für den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB (5,5 Mio. €) sowie der Finanzausgleich für das Mobilitätsticket (3,4 Mio. €). In der Wahlperiode bis 2019 werden darüber hinaus 20 Mio. € für zusätzliche ÖPNV-Investitionen im Rahmen des Kommunalen Investitionsprogramms (KIP) durch das Land Brandenburg direkt gefördert.

Entwicklungsziele und Mittelbedarf

Die Bevölkerung im gesamten Land Brandenburg wird bis zum Jahr 2030 nach neuen Erkenntnissen stagnieren oder leicht steigen. Dabei wird die Entwicklung nicht homogen verlaufen. Während insbesondere die ländlichen Regionen im äußeren Entwicklungsraum stark an Einwohnern verlieren, wächst die Einwohnerzahl im engeren Verflechtungsraum (zum Teil stark) an. Das Bevölkerungswachstum im Berliner Umland ist nicht zuletzt auf die Zuwanderung Berliner Bürger zurückzuführen, die meist ihren Arbeitsplatz in der Bundeshauptstadt behalten.

Daraus ergeben sich mehrere Herausforderungen: Der Pendlerstrom aus dem Umland in die Stadt Berlin und umgekehrt (heute bereits mehr als 272.000 Menschen) wird weiter zunehmen. In der Peripherie des Landes sind immer weniger Menschen mobil, gerade hier wird durch den höheren Altersdurchschnitt eine zunehmende Anzahl von Menschen mobilitätseingeschränkt sein.  Die mittleren und größeren Städte außerhalb des Berliner Umlands werden immer mehr zu „Ankerpunkten“ im Raum.

Im Zusammenhang mit der Mobilitätsstrategie 2030 und der Neuaufstellung des Landesnah-verkehrsplans ist eine objektive und ehrliche Debatte über den Einsatz der Finanzmittel im ÖPNV führen. Dabei sind die Verteilungsmechanismen zwischen

  • Bahn-, Bus- und flexiblen Verkehren,
  • Berliner Umland, ländlichen Räumen und Stadtverkehren sowie
  • Bundes-, Landes- und kommunaler Finanzverantwortung

neu zu justieren. Ziele sind dabei eine flächendeckende Grundsicherung öffentlicher Mobilität, Mehrleistungen in verkehrsstarken Relationen durch einen effizienten Mitteleinsatz und die Erzielung von höheren Fahrgeldeinnahmen durch bessere Angebote.

Aus regional- und wirtschaftspolitischen, sozialen und ökologischen Gründen ist der Umweltverbund im Verkehr und damit der Erhalt und Ausbau des öffentlichen Verkehrs im Land Brandenburg voranzutreiben. Auf dem Schienennetz ist der „Berlin-Brandenburg-Takt“ mit einem Stundentakt als Regel, zwischen Berlin und dem Städtekranz im 2. Ring ein Halbstundentakt und im wachsenden direkten Umland ein dichterer Takt erforderlich. Wichtige Lückenschlüsse im Schienennetz zwischen Berlin und Brandenburg fehlen derzeit; Planung, Bau und Betriebsleistungen erfordern zukünftig zusätzliche Mittel. Dies betrifft vor allem folgende Relationen:

  • Anbindung BER (aus Berlin, Ludwigsfelde, Eberswalde/Stettin)
  • Wiederaufbau der Dresdner Bahn (Verdichtung RE 5)
  • Direkte Führung des RE 6 über die Kremmener Bahn nach Gesundbrunnen
  • Ausbaustrecke Angermünde – Stettin (zusätzliche SPNV-Leistungen Richtung Berlin)
  • Wiederaufbau der Potsdamer Stammbahn (zusätzliche SPNV-Leistungen nach Potsdam, Werder und Brandenburg/Havel)
  • Verdichtungen/Neubau im Regional- oder S-Bahn-Verkehr z.B. nach Nauen, Velten, Stahnsdorf, Rangsdorf etc.)

Im übrigen ÖPNV (Bus, Straßenbahn) sind in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und die Fahrzeuge erforderlich, da die gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit bis 2022 erfüllt werden müssen und der Fahrzeugbestand (v.a. im Straßenbahnbereich) überaltert ist.

Finanzierungskonzept

Die Einigung zur Neuverteilung der RegMittel im Juni und Juli 2016 hat die schlimmsten Folgen des bisherigen Konzeptes (Kieler Schlüssel) für das Land Brandenburg abgemildert. Die Zuweisung erhöht sich demnach 2016 auf 481 Mio. €, fällt bis 2021 auf 464,1 Mio. € und steigt bis 2031 auf einen Betrag von 495,7 Mio. €. [Quelle: Hochrechnung durch VDV Ost]

Die auf den ersten Blick erheblich höheren Mittelzuweisungen relativieren sich, wenn nicht in nominalen sondern in realen Budgets inklusive Preissteigerungen gerechnet wird. Die ÖPNV-Gesamtausgaben von 450 Mio. € aus dem Jahr 2015 und eine jährliche Preissteigerung von 1,8% (aktuelle Dynamisierungsquote bei der Reg-Mittel-Verteilung) zugrundegelegt, übersteigt der Finanzbedarf bis 2031 die Zuweisungen um 792 Mio. €. Die bis 2018 entstehenden Überschüsse bei den RegMittel-Zuweisungen müssen daher angespart werden, um die Unterdeckung ab 2019 zumindest teilweise ausgleichen zu können.

Eine jährliche Preissteigerung von 1,8% ist nur möglich, wenn die kürzlich durch den Bund im Eisenbahnregulierungsgesetz beschlossene Deckelung der Infrastrukturentgelte (Trassen- und Stationspreise) greift und die übrigen Betreiberkosten (Fahrzeuge, Personal, Energie inkl. EEG-Umlagen) ebenfalls diese Steigerungsrate nicht überschreiten.

Soll also allein der Status Quo (Ausgabenumfang 2015) langfristig finanziert werden, sind zusätzliche Finanzierungsquellen für den ÖPNV zu nutzen.

Im Land Brandenburg soll daher die Finanzierung eines Teiles der „SPNV-fremden“ Leistungen wieder direkt aus Landeshaushaltsmitteln erfolgen. Dies soll ab 2017 für die Ausgleichszahlungen für den Schüler- und Auszubildendenverkehr schrittweise (in 5 Jahren bis zur Höhe der derzeitigen 37 Mio. €) gelten. Werden diese Beträge ebenfalls mit 1,8% p.a. dynamisiert, kann der reale Mittelverlust bis 2031 teilweise kompensiert werden. Damit sinkt zudem das Risiko der „Fehlverwendung“ für die vordringlich dem SPNV zugedachten RegMittel und die Besserstellung des Landes Brandenburg bei zukünftigen Neuverteilungen.  Eine vergleichbare Lösung wurde 2016 auch in Sachsen-Anhalt in der neuen Landesregierung vereinbart.

Mehrleistungen und zusätzliche Investitionen können nur finanziert werden, wenn zusätzlich auch die ÖPNV-Anteile aus den Entflechtungsmitteln auch nach 2019 in bisheriger Höhe zur Verfügung stehen. Bis dahin gibt es im Land Brandenburg eine gesetzliche Zweckbindung. Je nach Einigung zwischen Bund und Ländern (Weiterführung Entflechtungsgesetz oder Verlagerung in den Umsatzsteuerausgleich) ist eine landesgesetzliche Folgeregelung zur Zweckbindung für den ÖPNV in mindestens gleicher Höhe (27 Mio. €) erforderlich.

Die Begrenzung der Preissteigerung geringer als 1,8% p.a. läßt sich nur bedingt durch das Land steuern, da wenig Einfluss auf die bundesweite Entwicklung der Infrastrukturentgelte, der Tarifabschlüsse und der Energiekosten besteht. Eine gewisse Steuerungswirkung kann erreicht werden, wenn in den nächsten Jahren aus dem entstehenden Mittelüberhang gezielt in Infrastrukturmaßnahmen mit Landesmitteln investiert wird, in deren Folge durch einen rationelleren Betrieb oder geringeren Unterhaltsaufwand die Infrastrukturentgelte (Trassen- und Stationspreise) sinken, gleich bleiben bzw. nur unterdurchschnittlich steigen. Auch Betriebskosten können durch optimierte Zugumläufe gesenkt werden, wenn ausgewählte Streckenabschnitte durch Investitionen beschleunigt werden. Diese Infrastrukturprojekte können durch Vorfinanzierung des Landes beschleunigt werden. Dies erhöht zudem die Attraktivität des SPNV. Hierzu sind vertiefte Analysen des Landes, des VBB und der Infrastrukturunternehmen durchzuführen.

Im Fokus des ÖPNV-Investitionsprogrammes zum Ausbau der Infrastruktur sollen daher Projekte mit Folgewirkungen zur Stabilisierung der Infrastrukturentgelte im Schienennetz sowie zur Gestaltung attraktiver und barrierefreier Umsteigepunkte zwischen den Verkehrsnetzen sein. In einem gemeinsamen Infrastrukturpaket mit dem Land Berlin sollen wichtige ländergrenzenüberschreitende Schienennahverkehrsprojekte auf den Weg gebracht und in Abstimmung mit der DB und dem Bund Planungskosten bis zur Genehmigungsreife vorfinanziert werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Landtagsfraktion
Version der Antragskommission:

Begründung:

  • das ÖPNV-Gesetz wir aktuell in der Landtagsfraktion beraten
Änderungsanträge
Status Kürzel Aktion Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Annahme Ä01 zum 70/I/2016 Einfügen 29 SPD-Unterbezirksvorstand Potsdam nach: "...Gerade für die noch ausstehenden Lückenschlüsse im Schienennahverkehr zwischen beiden Ländern ist dies notwendig." Einfügen: "Die Attraktivität der bestehenden Nahverkehrsverbindungen ist zu steigern."
Stellungnahme(n):
Beschlussfassung durch die SPD-Landtagsfraktion Brandenburg Ablehnung Begründung: Punkt 1 (Regionalisierungsmittel) ist zwischen Bund und Ländern verhandelt und somit erledigt. Die Regelung steht und beschert Brandenburg bis 2022 Mehreinnahmen, um die danach einsetzenden Mindereinnahmen abzupuffern. Punkt 2 (ÖPNV-Finanzierung). In der Haushaltsberatung 2017/2018 ist ein Einstieg in die Finanzierung aus Landesmitteln gelungen (ÖPNV-lnvestitionsprogramm in Höhe von 12 Mio. EUR, das hälftig aus Landes- und Regionalisierungsmitteln finanziert wird). In den Folgejahren muss dieser Weg fortgesetzt werden. Punkt 3 (Entflechtungsmittel). Die Sicherung der Entflechtungsmittel ist aus fachlicher Sicht wünschbar. Berlin hat im Koalitionsvertrag die Zweckbindung vereinbart. Der Entscheidungsprozess in der Fraktion läuft. Punkt 4 (GVFG-Bundesprogramm). Berlin und Brandenburg haben hier seit Jahren keine Projekte mehr eingereicht. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der VBB-Korridoruntersuchungen werden auch zu diesem Programm zwischen Brandenburg und Berlin Gespräche geführt. Punkt 5 (ÖPNV-lnfrastruktur). Im Zusammenhang mit der VBB-Korridoruntersuchung wird Brandenburg auch auf die DB Netz zugehen.

Änderungsantrag zu diesem Antrag einreichen