55/I/2022 Kommunalisierung aller privaten Krankenhäuser im Land Brandenburg

Status:
Überweisung

Der OV Temnitz fordert den Landesparteitag dazu auf, sich dafür auszusprechen, die Privatisierung von Krankenhäusern rückgängig zu machen. Von dieser Forderung sind explizit gemeinnützige Krankenhäuser ausgenommen.

Bezüge:

  1. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
  2. Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG)
  3. Gesetz zur Entwicklung der Krankenhäuser im Land Brandenburg (Brandenburgisches Krankenhausentwicklungsgesetz – BbgKHEG)
    Begründung:

    Die Daseinsvorsorge sicherzustellen, zu der ein funktionierendes, erschwingliches und für jedermann schnell erreichbares Gesundheitssystem unabdingbar gehört, ist Aufgabe des Staates. Die planerische Gestaltung hierfür wird in § 6 Abs. 1 KHG (2) vom Bund an die Länder übertragen. Gemäß § 1 Abs. 2 BbgKHEG (3) teilt sich das Land Brandenburg die Aufgabe der Sicherstellung der Krankenversorgung mit den Landkreisen und kreisfreien Städten. Auch die Anerkennung der Vielfalt der Trägerschaft der Krankenhäuser unseres Landes ändert nichts daran, dass der hoheitliche Auftrag nicht von den Schultern des Staates beziehungsweise der Öffentlichkeit genommen werden kann.

    Der Glaube, Krankenhäuser könnten erfolgreich privatwirtschaftlich geführt werden und zugleich den Ansprüchen an eine Gesundheitsversorgung genügen, die sich allein an solidarischen Leitlinien orientiert, ist ein Trugschluss. Schon der in Wirtschaftskreisen geläufige Terminus „Gesundheitsmarkt“ ist irreführend, handelt es sich hierbei doch gar nicht um einen Markt im klassischen Sinne. Für einen funktionierenden Markt bräuchte es ein freies Spiel von Angebot und Nachfrage, doch weder ist die/der Nachfragende freiwillig am Markt, denn sie/er hat es sich nicht ausgesucht, krank zu werden, noch ist der Anbietende frei in seinen Investitionsentscheidungen, da sie/er an öffentliche Planungs- und Bedarfsdeckungsverfahren gebunden ist. Somit kann auch keine an ökonomischen Maßstäben orientierte Preisbildung stattfinden. Des Weiteren bräuchte ein freier Markt Elemente wie Konsumfreiheit, Vertragsfreiheit und Kundenautonomie. Nichts davon ist auf dem Felde der staatlichen Gesundheitsversorgung zu finden, und das hat auch gute Gründe.

    Der Mensch, dessen gesundheitlichem Wohlergehen alle Anstrengungen im Bereich der Gesundheitspolitik gelten müssen, ist keine Ware. Der Umgang mit ihm darf daher keinen marktwirtschaftlichen Gesetzen folgen. Doch überall, wo die Privatisierung die Krankenhauslandschaft heimgesucht hat, ist dies geschehen, und es hat sich verheerend auf unser Gesundheitssystem ausgewirkt. Weil der private Krankenhausträger sein ureigenes Interesse, nämlich das Erzielen einer Rendite auf seinen Kapitaleinsatz, aufgrund der Limitierungen des Preisbildungsmechanismus nicht auf herkömmlichem Wege durchsetzen kann – da das System aus Fall- und Investitionspauschalen keine Eigenkapitalkosten oder Abschreibungen auf eigenfinanzierte Anlagegüter einkalkuliert -, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Versorgungsniveau zu senken. Dies wird dann mit Schlagwörtern wie „Restrukturierung von Versorgungsabläufen“ (meint: Aufgabe nicht profitabler Leistungsbereiche und Reduzierung der Anzahl der Beschäftigten), „Erzielung von Synergieeffekten“ (meint: Reduzierung der tariflichen Löhne durch Outsourcing und Reduzierung des Sachaufwandes) oder „Steigerung der Effizienz“ (meint: Verdichtung der Arbeitsbelastung) verbrämt.

    Die „Gewinne“, die solche privat geführten Krankenhäuser erwirtschaften und die im Kern öffentliche Gelder und Krankenkassenbeiträge sind, fließen dann zum Teil nicht einmal in Investitionen oder Forschung, sondern werden als Dividende an die Aktionäre*innen ausgeschüttet. Hierdurch verschwindet jedes Jahr ein nicht unerheblicher Teil der Mittel, die für den Gesundheitssektor vorgesehen waren, in private Hand und wird zweckentfremdet.

    Auch die Hoheit der Länder in Sachen Krankenhausplanung wird durch die Diagnosis Related Groups (DRG) und die daraus resultierenden Fallpauschalen ausgehebelt, wird die Entscheidung für oder gegen den Erhalt eines Krankenhauses doch oftmals nicht mehr aufgrund seiner Bedeutung für die öffentliche Gesundheitsversorgung getroffen, sondern anhand seines betriebswirtschaftlichen Ergebnisses. So kann insbesondere die Versorgungssicherheit im ländlichen Raum, der noch häufiger mit defizitären Krankenhäusern zu kämpfen hat, nicht gewährleistet werden.

    Wir als OV Temnitz bewerten diese Entwicklung als desaströs und fordern daher die Kommunalisierung aller privaten Krankenhäuser im Land Brandenburg. Nur so kann aus unserer Sicht sichergestellt werden, dass das Sozialstaatsprinzip, wie es in Art. 20 Abs. 1 GG (1) niedergeschrieben ist, auch im Gesundheitssektor jederzeit Vorrang genießt und der Mensch somit nicht zum Objekt marktwirtschaftlichen Handelns degradiert wird.

    Empfehlung der Antragskommission:
    Überweisen an: ASG Brandenburg (Konsens)
    Version der Antragskommission:

    und Landtagsfraktion

    Barrierefreies PDF:
    Stellungnahme(n):
    Votum der Landtagsfraktion: nicht zu empfehlen Beim Vergleich kommunaler und privater Krankenhäuser sind keine generellen Unterschiede festzustellen. In vielen Brandenburger Städten haben sich die privaten Klinikbetreiber als verlässlicher Partner bewährt, die ihrer Verantwortung einer umfassenden Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten in den Regionen umfassend nachkommen. Eine Rücknahme der Privatisierung der Krankenhäuser ist nicht zuletzt eine finanzielle Herausforderung für die Kommune. Die Rückführung der Häuser in Form einer „Verstaatlichung“ ist mit einigen Hürden verbunden und in der Realität daher schwer umsetzbar. Im Falle eines Kaufes müsste der Staat mit den Eigentümern über die Bedingungen und den Kaufpreis verhandeln. Für eine Enteignung wäre eine gesetzliche Grundlage nötig. Es müssten einsprechende Sach-gründe vorliegen, wie auch eine an dem Marktwert orientierte Entschädigung gezahlt werden. Hier gilt es zudem Berichte wie jene des Bundeskartellamtes zu betrachten, wonach Verstaatlichung und Wettbewerbsbeschränkungen Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten haben. Votum der ASG: Bisher befördert der Gesetzgeber die Trägervielfalt im Gesundheitswesen und der Pflege. Damit können private, freigemeinnützliche und kommunale Träger zur Versorgung zugelassen werden. Den  Grundgedanken des Antragstellers, den Markt auf gemeinnützige Krankenhäuser zu begrenzen und somit Gewinnmaximierer und Aktengesellschaften von der Versorgung auszuschließen, teilt die ASG Brandenburg. Jedoch sieht die ASG keine gesetzlichen Möglichkeiten bereits zugelassenen Krankenhäuser aus politischer Motivation den Versorgungsvertrag zu entziehen. Es gibt jedoch andere Ansätze, die in der Zukunft verfolgt werden könnten: beim Verkauf von kommunalen oder freigemeinnützlichen Krankenhäusern oder deren Anteilen, sollte auf die Auswahl der Trägerschaft geachtet werden und Zusammenschlüsse, Anteilseignungen oder Verkäufe nicht Gewinnmaximierer und Aktengesellschaften erfolgen. Solche Positionen ließen auf kommunale Ebene durch die Parlamente auf den Weg bringen. Hierbei spielt jedoch auch die Finanzkraft der Kommune eine bedeutende Rolle. Wesentlich – unabhängig von der Trägerschaft- ist und bleibt die wirtschaftliche Stabilität der Einrichtung (Krankenhaus), die über die betrieblichen Erfordernisse auch notwendige Investitionen sichern muss, was bedeutet das bei einer eingrenzenden Trägerschaft auch die Kommunen und freigemeinnützlichen Träger nachhaltig in der Lage sein müssen, diese Einrichtungen wirtschaftlich zu betreiben und notwendige Investitionen tätigen zu können.
    Überweisungs-PDF: