22/I/2022 Lehrstuhlaufstockung an der Universität Potsdam und/oder Errichtung einer pädagogischen Hochschule

Status:
Annahme mit Änderungen

Dass die SPD-Landtagsfraktion  und das von uns geführte MBJS aufgefordert werden, eine weitere massive Erhöhung von Lehramtsstudienplätzen durch Lehrstuhlaufstockung an der Universität Potsdam und /oder die Errichtung einer pädagogischen Hochschule zur nachhaltigen Bekämpfung des evidenten Lehrkräftemangels im Land Brandenburg voranzutreiben und zeitnah umzusetzen.

Begründung:

Brisante Ausgangssituation:

Aus dem aktuellen Länderüberblick des deutschen Schulportals 2020/21 zur Personalausstattung geht auch dieses Jahr wieder hervor, dass der Lehrer*innenmangel eine der größten Herausforderungen des deutschen Bildungssystems ist. Tausende Stellen bleiben auf Grund des Fachkräftemangels an den Schulen deutschlandweit unbesetzt. Trotz Ausgleichsversuchen, wie u.a. der Einstellung von Quereinsteiger*innen, konnte der Lehrkräftemangel nicht abgemildert werden. Wie brisant die Situation ist, zeigt das Beispiel Berlin, wo in diesem Schuljahr rund 60 Prozent der Neueinstellungen über den Quereinstieg abgedeckt werden mussten.

In Brandenburg befanden sich unter den 1.322 unbefristet neu eingestellten Lehrkräften (Stand 01.08.2022) 387 Quereinsteiger*innen, das sind sagenhafte 30,1 Prozent. Zum Vergleich: 2021 waren es 20,9 Prozent. Zum Schulstart waren noch 63 offene Stellen für Lehrkräfte ausgeschrieben.

Zusätzlich wurden 1.000 Lehrkräfte befristet für das neue Schuljahr eingestellt, darunter 705 (!) Quereinsteiger*innen, die in der Regel zunächst befristet für 13 Monate eingestellt werden und – nach Teilnahme an der pädagogischen Grundqualifizierung und einer Bewährungsfeststellung – entfristet werden können. Insgesamt unterrichten an Brandenburger Schulen im Schuljahr 2022/23 somit rund 3.100 Quereinsteiger*innen. Das sind 14,8 Prozent aller Lehrkräfte. Tendenz steigend.

Warum ist das Land Brandenburg inzwischen auf Quereinsteiger*innen angewiesen? Schlicht, weil wir zu wenig grundständig ausgebildete Lehrkräfte akquirieren konnten und selbst nicht genügend Lehrkräfte ausbilden.

Fehlkalkulierte Ausbildungsquote von Lehrkräften:

Trotz der Tatsache des erhöhten Lehrkräftebedarfs bildet die einzige Universität im Land Brandenburg, die eine qualitativ hochwertige, grundständige universitäre Lehramtsausbildung anbietet, die Universität Potsdam nach wie vor zu wenig Lehrkräfte aus. Zwar sind seit dem Jahre 2018 an der Universität Potsdam weitreichende qualitative und auch quantitative Maßnahmen ergriffen worden, um die Qualität der Lehramtsstudiengänge und die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen, aber auch diese sind nicht bedarfsdeckend kalkuliert. Diese Maßnahmen beziehen sich vorrangig auf die im aktuellen Hochschulvertrag gesetzten Ziele.

So sollten 20 neue Professuren ausgeschrieben werden, ca. 30 nichtwissenschaftliche Stellen und ca. 100 Stellen für akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu geschaffen, zahlreiche neue Studiengänge eingerichtet, ein Interimsgebäude auf dem Campus Golm errichtet werden, um die Qualität der Lehrkräftebildung anhand verschiedener Maßnahmen zu verbessern. Alles mit dem Ziel, die Studienerfolgsquote in den Lehramtsstudiengängen zu erhöhen.

Im Wintersemester 2020/2021 hat die Universität Potsdam 1.070 Bachelor- Studienanfängerplätze, rund 220 Plätze mehr als im Wintersemester 2019/20. Diese Maßnahmen sind ausdrücklich zu begrüßen, nur müssen sie zügig ausgebaut werden, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Die Studienabbrecherquote ist nach wie vor sehr hoch und die seit 2018 ergriffenen Maßnahmen an der Universität Potsdam zeigen auch nach vier Jahren noch nicht ihre erhoffte Wirkung.

Konkurrenzkampf mit anderen Bundesländern:

Erschwerend kommt die Fluktuation der ausgebildeten Lehrkräfte in andere Bundesländer hinzu, die ebenfalls unter erheblichem Mangel leiden.

Die Konkurrenzsituation mit den anderen Bundesländern wird dadurch verstärkt, dass viele Bundesländer wieder nach G9 zurückkehren. Dies führt in den nächsten Jahren zu einem massiven Anstieg des Personalbedarfs auch an den Gymnasien. So wird in den Schuljahren 2025/26 in Bayern, 2026/27 in NRW als den beiden bevölkerungsreichsten Bundesländern hierdurch ein massiver zusätzlicher Lehrkräftebedarf auch ein Pull-Effekt auf die Nachbarbundesländer ausgelöst.

Für die lehramtsbezogenen Studienfächer Mathematik, Deutsch, Englisch, Geschichte, politische Weltkunde, Ethik/Religion, Sachkunde, Biologie, Geografie und Inklusionspädagogik an der Universität Potsdam zum Beispiel gilt eine Zulassungsbeschränkung. Das bedeutet, dass nicht jede*r, die/der auf Lehramt studieren möchte, auch tatsächlich die Möglichkeit dazu hat, obwohl der Bedarf dringend gedeckt werden muss.

Selbstredend spiegelt sich das Problem des Lehrkräftemangels in allen Brandenburger Landkreisen wider, und zwar unabhängig von deren Trägerschaft. Die Klassenstärken werden derzeit aufgestockt auf 30 Kinder, die Diskussion über verkürzte Stundentafeln für die Schüler*innen wird im Ergebnis zu einem erhöhten Ausmaß an Qualitätsverlust der Abschlüsse führen.

Die Situation – gerade in den Metropolenrandgebieten – ist so dramatisch, dass wir nicht mehr über ein „wie beschulen wir“, sondern über ein „ob wir überhaupt noch beschulen können“ sprechen müssen.

Aufkommende Renten/Pensionswelle:

Zu der zu geringeren Ausbildungsquote von grundständigen Lehrkräften rollt erschwerend die nächste Renten- und Pensionierungswelle auf das Land Brandenburg zu. Der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer im Alter bis zu 40 Jahren ist von 2015 bis 2020 (35,2 % – 31,1 %) weiter zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer, die 50 Jahre und älter sind, stark angestiegen (38,7 % – 48,0 %). Von den Lehrerinnen und Lehrern werden in den nächsten 5 Jahren ca. 12 % und in den nächsten 15 Jahren knapp die Hälfte das Pensionsalter erreichen. Auf Grund des Wachstums der Bevölkerung insgesamt und der Anzahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen ist mit einem steigenden Bedarf an pädagogischem Personal an den Schulen zu rechnen. Die Lehrkräftemisere wird sich in den kommenden 15 Jahren verschärfen, wenn wir nicht endlich gegensteuern. Verdeutlicht wird dies u.a. in der aktualisierten Schülerprognose bis 2030 der Kultusministerkonferenz (KMK) vom November 2021.

 Keinen nachhaltigen Erfolg der bisherigen Lösungsansätze:

Eine nachhaltige Lösung ist weder durch die Verbeamtung im Land Brandenburg noch durch die Aufstockung auf das Gehaltniveau A13 oder den Einsatz von Quereinsteigern eingetreten.

Es bedarf hier weitreichender, nachhaltigerer Lösungen, um eine vollständige Bildungsmisere vom Land Brandenburg abzuwenden.

Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufes durch Karrierechancen und Erhöhung der Stunden im System

Ferner gilt es, den Lehrerberuf attraktiver zu gestalten, um die Menschen auch in ihrer Berufung zu belassen und Abwanderungen zu verhindern. Dies ist nur mit mehr Lehrkräften möglich, denn eine nachhaltige Schulentwicklung ist mit den derzeit knappen Ressourcen nicht möglich. Es müssen mehr Stunden ins System eingespeist werden, damit der Mehraufwand durch Abminderungen abgefedert werden kann und es zu keinen weiteren Belastungen der Lehrkräfte kommt. Die hohe Belastung der Lehrkräfte führt außerdem zu einer sehr hohen Teilzeitquote, die zwingend mit bedacht werden muss.

Zu einer weiteren Attraktivitätsstufe würden u.a. auch die Beförderungsämter innerhalb der Schulen gehören. Karrierechancen wären somit gegeben – ein wichtiger Schritt zur Lehrkräftebindung.

Die Arbeitsgemeinschaft für Bildung des Landkreises Barnim sieht es daher als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, sich für die Lehrstuhlerweiterung der lehramtsbezogenen Studienfächer an der Universität Potsdam stark zu machen und/oder für die Errichtung einer landeseigenen pädagogischen Hochschule zur nachhaltigen Ausbildung in ausreichender Zahl von Lehrkräften und somit zur Sicherung unseres Bildungsauftrages im Land Brandenburg beizutragen.

Da das Land Brandenburg eine Lehrstuhlerweiterung an der Universität Potsdam nur mit Zustimmung der Universitätsleitung durchführen kann und die Bildung des Landes nicht in Abhängigkeit dazu stehen darf, wird alternativ oder additiv dazu eine landeseigene pädagogische Hochschule empfohlen.

Die Arbeitsgemeinschaft für Bildung gemeinsam mit dem Unterbezirk Barnim bitten daher – für die Zukunft unseres Bildungsstandortes Brandenburgs – eindringlich um Unterstützung für diesen Antrag.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Version der Antragskommission (Konsens)
Version der Antragskommission:

Annahme bei Streichung des Passus und/oder Errichtung einer pädagogischen Hochschule im Titel sowie in Zeile 5

Barrierefreies PDF:
Änderungsanträge
Status Kürzel Aktion Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Annahme Ä1 zum 22/I/2022 Streichen 1-2/5 UB Barnim Streichung in Zeile 1/2 "und das von uns geführte MBJS" Änderung in Zeile 2 von "werden" in "wird" Streichen in Zeile 5 "uns/oder die Einrichtung einer pädagogischen Hochschule" Änderungsantrag (PDF)
Text des Beschlusses:

Dass die SPD-Landtagsfraktion aufgefordert wird, eine weitere massive Erhöhung von Lehramtsstudienplätzen durch Lehrstuhlaufstockung an der Universität Potsdam zur nachhaltigen Bekämpfung des evidenten Lehrkräftemangels im Land Brandenburg voranzutreiben und zeitnah umzusetzen.

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Im Prozess An der BTU in Senftenberg werden ab Herbst 2023 die ersten neuen GrundschullehrerInnen ausgebildet. Das Land Brandenburg setzt darauf, dass möglichst viele der Studierenden später in der Lausitz bleiben. Zum Start gibt es 50 Studienplätze. Die Kapazitäten sollen schrittweise auf mehrere Hundert erhöht und die Fächerkombinationen ausgebaut werden. Der neue Studiengang wurde in Rekordzeit aufgestellt (Mittelbeschluss im Brandenburger Landtag im Nov. 2022), in enger Kooperation mit MWFK, MBJS sowie dem Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZeLB) an der Universität Potsdam. Der Aufbau eines zweiten Lehramtsstandortes an der BTU Senftenberg ist ein Punkt des zehn-Punkte-Planes für eine bessere Lehrerbildung im Land Brandenburg. Das gemeinsamen Maßnahmenpaket von MWFK und MBJS beinhaltet zudem folgende Vorhaben und Botschaften: Wir sorgen dafür, dass jeder Studienplatz besetzt werden kann. Zugangsbeschränkungen zu Lehramtsstudiengängen werden in Zukunft die Ausnahme sein. Wir werden bundesweit Vorreiter beim „dualen Studium“. Wer in diesem Jahr ein Lehramtsstudium in Senftenberg beginnt, kann ab dem Wintersemester 2026/2027 in einem dualen Masterangebot weiterstudieren. Wir senken die Abbruchquote weiter. Niemand soll sein Lehramtsstudium wegen Problemen in der Organisation abbrechen. Wir verzahnen Schulen und Universitäten. Wenn wir die Kapazitäten der Lehramtsstudiengänge ausbauen und deren Qualität erhöhen, brauchen wir praxiserfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Unis. Deshalb wird in einem bundesweit einmaligen Modellvorhaben zunächst 20 Absolventinnen und Absolventen mit Lehramtsbefähigung bzw. Lehrerinnen und Lehrern das attraktive Angebot gemacht: Sie werden verbeamtet und dann an die Uni Potsdam oder die BTU für fünf Jahre abgeordnet, um sich dort wissenschaftlich weiterzuqualifizieren und in Forschung und Lehre tätig zu sein. Wir führen Aus,- Fort- und Weiterbildung zusammen. Wir nutzen die Chance des Neuaufbaus eines brandenburgischen Landesinstituts für Aus-, Fort- und Weiterbildung zum 1. Januar 2025 für eine stärkere fachliche Verschränkung der Phasen der Lehrkräftebildung. Ziel ist es, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse (z.B. im Bereich der Digitalisierung) und personelle Ressourcen möglichst schnell auch in die Weiterbildung sowie in die berufsbegleitende Qualifikation von Lehrkräften im Seiteneinstieg einfließen zu lassen. Wir stärken die duale Berufsausbildung. Gut qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer fehlen nicht nur an den allgemeinbildenden, sondern genauso an den berufsbildenden Schulen. Deshalb bietet die Universität Potsdam ab dem Wintersemester 2024/2025 ein neues innovatives Studienangebot mit 60 Studienanfängerplätzen an. Wir sorgen für mehr Sozialarbeiterinnen und -arbeiter. Auch in der Schulsozialarbeit setzen wir auf das duale Studium. Deshalb werden wir die Kapazitäten an der Fachhochschule Potsdam ausweiten. Ziel ist ein dreistufiger Aufwuchs um 30 Studienanfängerplätze. Die ersten zehn zusätzlichen Plätze sollen bereits im Wintersemester 2023/2024 zur Verfügung stehen. Wir wollen den Ein-Fach-Lehrer ermöglichen. Wir werden im Einklang mit den KMK-Regelungen die Einführung von Ein-Fach-Lehrkräften prüfen. Und wir sorgen dafür, dass dieser Sonderweg nicht zur unüberwindbaren Hürde für ausländische Studierende oder Lehrerinnen und Lehrer wird. Wir machen weiter. Die skizzierten Maßnahmen führen zu den größten strukturellen Veränderungen in der Lehrerbildung seit über 30 Jahren. Keiner kann voraussagen, ob die Maßnahmen ausreichen. Landtag und damit auch die Öffentlichkeit werden mindestens zweimal im Jahr über den Stand der Umsetzung und der Weiterentwicklung informiert.
Überweisungs-PDF: