65/I/2025 „Tolerantes Brandenburg“ weiterentwickeln – Für ein zeitgemäßes Handlungskonzept gegen Demokratiefeindlichkeit

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Status:
Nicht abgestimmt

Die SPD-Brandenburg sowie die SPD-Fraktion im Landtag Brandenburg werden aufgefordert, sich für eine umfassende Aktualisierung und Fortschreibung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg – für eine starke und lebendige Demokratie“ und unsere weitergehenden Forderungen einzusetzen.

Das Konzept soll an die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten
zwei Jahrzehnte angepasst und um folgende Schwerpunkte erweitert werden:

  1.  Online-Radikalisierung und digitale Demokratiefeindlichkeit:
    •  Verankerung digitaler Medienkompetenz in Lehrplänen und Lehrer*innenausbildung
    •  Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte zur Bekämpfung von Hassrede und Extremismus im Netz
    •  Einsatz für bessere Nachverfolgung und konsequente Löschung extremistischer Inhalte
    •  Verbesserung der Ausbildung der Strafverfolgungsbehörden mit Fokus auf digitale Phänomene
  2.  Neue Phänomenbereiche demokratiefeindlicher Strömungen:
    •  Berücksichtigung aktueller extremistischer Bewegungen wie Reichsbürger*innen, Querdenker*innen, Antisemitismus, antifeministische und queerfeindliche Strömungen
    •  Ausbau von Bildungs- und Sensibilisierungsprogrammen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
  3.  Prävention demokratiefeindlicher Einstellungen bei Jugendlichen
    •  Ausbau und Verstetigung präventiver, sozialpsychologischer und psychosozialer Angebote für Jugendliche mit erhöhtem Risiko für politische Radikalisierung – z. B. im Schul- oder Freizeitumfeld
    •  Einrichtung multiprofessioneller Jugend-Teams aus Schulsozialarbeit, Psychologie und politischer Bildung zur Früherkennung demokratiefeindlicher Tendenzen
    •  Systematische Fortbildung pädagogischer Fachkräfte zur Ansprache gefährdeter Jugendlicher und zur Arbeit mit ambivalenten, verunsicherten oder isolierten Jugendlichen
  4.  Sicherheit und Schutz für Engagierte und Betroffene:
    •  Ausbau konkreter Schutzmaßnahmen für zivilgesellschaftliche Akteur*innen, insbesondere in Regionen mit hoher rechtsextremer Präsenz
    •  Einrichtung niedrigschwelliger Meldestellen für Drohungen, Übergriffe und digitale Gewalt
    •  Ausbau psychosozialer Begleitung und Rechtshilfestrukturen für Betroffene von rechter Gewalt und engagierte Demokrat*innen, auch an Schulen
  5. Monitoring, Strategieanpassung und ressortübergreifende Koordination:
    • Flächendeckendes Monitoring demokratiefeindlicher und rechtsextremer Aktivitäten, sowie von Falschinformationen
    • Einrichtung einer ressortübergreifenden Koordinierungsstelle gegen Demokratiefeindlichkeit
    • Förderung wissenschaftlicher Begleitung und Evaluation von Demokratieförderprogrammen
Begründung:

Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ war 2005 ein innovatives Instrument im Kampf gegen Rechtsextremismus und für zivilgesellschaftliches Engagement. Inzwischen haben sich die Herausforderungen jedoch grundlegend gewandelt:

  • Digitalisierung hat neue Räume für Radikalisierung, Desinformation und Hassrede geschaffen, die staatliche und zivilgesellschaftliche Reaktionen dringend erfordern.
  • Demokratiefeindlichkeit zeigt sich heute nicht nur in „klassischem“ Rechtsextremismus, sondern auch in neuen Formen wie Verschwörungsmythen, antidemokratischem Populismus, fundamentalistischen Narrativen und gezielter Online-Mobilisierung gegen Institutionen und Minderheiten.
  • Menschen, die sich vor Ort für Demokratie, Gleichwertigkeit und Antirassismus einsetzen – ob in Jugendzentren, Stadtverwaltungen, Schulen oder Initiativen – sehen sich zunehmend Drohungen, Hetze und Gewalt ausgesetzt. Hier braucht es stärkere Unterstützung, Sichtbarkeit und Schutzmechanismen.

Im Jahr 2024 verzeichnete Brandenburg einen signifikanten Anstieg politisch motivierter Kriminalität. Insgesamt wurden 6.813 Fälle registriert, was einem Anstieg von fast 70 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Allein 1.877 dieser Straftaten standen im Zusammenhang mit dem Superwahljahr 2024. Besonders alarmierend ist der Anstieg politisch motivierter Gewalttaten um 29,3 %, mit insgesamt 225 Fällen.

Mehr als die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten (3.626 Fälle) wurden dem rechten Spektrum zugeordnet. Darunter fielen 113 Gewalttaten, bei denen 157 Personen verletzt wurden. Diese Zahlen verdeutlichen die zunehmende Verrohung und Brutalisierung der politischen Auseinandersetzung in unserem Land.

Diese Entwicklungen zeigen, dass demokratisches Engagement zunehmend unter Druck gerät. Es bedarf daher einer umfassenden Aktualisierung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ und dessen konsequenter Umsetzung, um den aktuellen Herausforderungen wirksam begegnen zu können.

 

Empfehlung der Antragskommission:
zurückgestellt
Barrierefreies PDF:
Änderungsanträge
Status Kürzel Aktion Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Nicht abgestimmt Ä1 zum 65/I/2025 Ändern 1-76 Jusos, UB TF Der bisherige Antragstext inklusive der Begründung (Zeile 1-124) werden durch folgende Fassung ersetzt: Europa, Deutschland und auch Brandenburg erleben eine Zunahme rechtsextremistischer, antisemitischer und rassistischer Vorfälle, wie schon lange nicht mehr. Altdöbern, Cottbus und Bad Freienwalde sind nur die jüngsten Beispiele solcher Angriffe und Anschläge. Gleiches gilt für das Problem von Turboradikalisierungen mit islamistischem Hintergrund. In Brandenburg ist das extremistische und darunter insbesondere das rechtsextremistische Personenpotenzial stark angestiegen. Die Feinde der Demokratie sitzen nicht nur im Landtag Brandenburg, sondern auch in vielen Kommunalvertretungen. Viele Demokratinnen und Demokraten fühlen sich an die sogenannten „Baseballschläger-jahre“ erinnert. Doch diese Analyse greift zu kurz. Anders als Anfang und Mitte der neunziger Jahre verfügt Brandenburg über eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft, die sich in allen Regionen des Landes für ein friedliches und vielfältiges Brandenburg stark macht. Diese lebendige und starke Zivilgesellschaft hat viel mit dem Wirken einer konsequenten Politik gegen Extremismus und für eine starke Demokratie in unserem Land zu tun. Als erster Ministerpräsident Deutschlands hat Manfred Stolpe dafür gesorgt, dass Brandenburg mit dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ ein eigenes Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt verabschiedet hat. Kern dieses Handlungskonzeptes war und ist die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft auf allen Ebenen unseres Landes. Das letztmalig 2005 überarbeitete Handlungskonzept wurde in der Folge durch Handlungskonzepte gegen Islamismus, Rassismus, zur Stärkung der Demokratie und 2024 durch das Handlungskonzept gegen Antisemitismus aktualisiert und ergänzt. Im Ergebnis haben wir mit dem Mobilen Beratungsteam, der RAA Brandenburg, der Opferperspektive, der Fachstelle Islam im Land Brandenburg, der Fachstelle Antisemitismus Brandenburg, dem Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus sowie der Brandenburgischen Sportjugend ein breit ausdifferenziertes und professionell arbeitendes Beratungsangebot für Kommunen, Schulen, Verbände und auch lokale Initiativen und Vereine. Es hat sich insbesondere mit den beiden Fachstellen, aber auch Angeboten für Personen, die von Verschwörungserzählungen betroffen sind, an neue Herausforderungen angepasst und leistet eine gute Arbeit. Es stärkt ganz unmittelbar die Akteure vor Ort und begleitet Betroffene von rassistischen, antisemitischen und rechtsextremistischen Anfeindungen und Gewalt. Der gesellschaftlichen Polarisierung, Hass und Hetze und auch der Entsolidarisierung kann nur mit einer konsequenten Politik entgegengetreten werden. Hierzu gehört nicht nur, dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten noch stärker als bisher unsere Politik erklären, vor Ort präsent sind und tatsächliche Verbesserungen für die Menschen erreichen. Wir müssen auch das klare Signal aussenden: Wir stehen all denen zur Seite, die sich für Demokratie, eine starke Zivilgesellschaft und ein weltoffenes Land einsetzen. Gestiegene Herausforderungen erfordern mehr Anstrengung. Das gilt auch für die Extremismusprävention. Wir fordern deshalb die Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, zu prüfen, wie
  • die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft nachhaltig weiterentwickelt,
  • der Radikalisierung gerade bei jungen Menschen stärker als bisher entgegengewirkt,
  • Schutzkonzepte für zivilgesellschaftliche Akteure wirksam weiterentwickelt und ausgebaut,
  • stärker als bisher die Herausforderungen im digitalen Raum und dem Hass im Netz mit eigenen landesspezifischen Angeboten begegnet,
  • die Bürgerbeteiligung und die Partizipation insbesondere von jungen Menschen noch nachhaltiger entwickelt,
  • ein systematisches Monitoring aufgebaut und weiterentwickelt werden kann, um gezielte Desinformationsdynamiken im gesellschaftlichen und politischen Raum frühzeitig zu erkennen und besser einordnen zu können,
  • der Verfolgungsdruck auf extremistische insbesondere rechtsextremistische Straftäter intensiviert und
  • aktuelle Erscheinungsformen demokratiefeindlicher Strömungen – wie etwa Reichsbürgerbewegungen, verschwörungsideologische Milieus, Antifeminismus oder queerfeindliche Narrative – systematischer berücksichtigt und in bestehende Präventions-, Beratungs- und Bildungsstrategien integriert werden können.
 
Änderungsantrag (PDF)

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